Witzig, spritzig, fränkisch, frech nahmen Angelika Scheidig und Bettina Hümmer-Dünninger, alias Inge und Rita, das aufs Korn, was den Deutschen angeblich in die Wiege gelegt ist: den Perfektionismus.
150-prozentig sein kostet Lebensenergie und Lebensfreude, das war dem Publikum schnell klar und so manch einer erkannte sich wohl in den beiden völlig ausgelaugten über dem Tisch hängenden Komödiantinnen wieder. „Tausendmal perfekter als du“, – das funktioniert nicht, so lautete die Botschaft, die Inge und Rita von der Bühne der Disharmonie in Schweinfurt posaunen.
Vor allem den Frauen schrieben sie ins Stammbuch, dass sie „net noch mehr machen müssen wie früher“. Super-Mama, Super-Power-Woman, Schönheits-Betthaserl und der mit der Muttermilch eingesogenen Prämisse „Ich bin für das Wohl der anderen da“ erteilten sie, überaus perfekt übrigens, eine klare Absage.
Aber auch die Männer würden mehr und mehr zu Heimwerker-Super-Heros mutieren, stellen die beiden fest.
Hintergründig, schnell und skurril zeigen sie, wie wichtig es ist, sich vom „allgegenwärtigen Effizienzmodus zu befreien“. Vorher aber halten die beiden Komödiantinnen so mancher Zuschauerin den Spiegel vor. Das perfekt organisierte Festmahl führt die Bemühungen um Perfektion ab absurdum. Es ist Klamauk mit Hintersinn, denn was nützen Lafer, Mälzer, Schubeck und Co., wenn der eine Gast Allergien hat, der andere Vegetarier und der nächste einfach ein Bauer ist, der „nichts frisst, was er nicht kennt“.
Und wie schwierig ist erst die perfekte Sitzordnung: Gauland neben Boateng oder Böhmermann gegenüber von Erdogan – das geht gar nicht. Temporeich und unschlagbar in Mimik und Gestik, zeigten die beiden Perfektionistinnen mit ihrem gesamten komödiantischen Talent, wie grotesk es ist, sich gegenseitig an Perfektionismus überbieten zu wollen. Dabei sind ihre Szenen zwar überzeichnet aber keinesfalls aus der Luft gegriffen. Sie haben sehr genau beobachtet, was in der Gesellschaft abgeht. Von Homöopathiekurs bis zum Putzwahn, in allen kabarettistisch aufbereiteten Darstellungen steckt ein Stück Wahrheit, manchmal sogar ein sehr großes Stück.
Der Kuraufenthalt nach dem Perfektions-Burnout schließlich beweist: Auch beim Meditieren, Lachen, Joggen der Walken kann man’s übertreiben. Aber Inge und Rita wären nicht Inge und Rita, wenn sie am Ende nicht noch die Kurve bekämen. Unterstützt von einer Antioptimierungs-App setzen sie zum Schlussakkord an und singen ihren Antioptimierungs-Blues.
Das Publikum ist begeistert und so manch einer nimmt einen therapeutischen Spruch mit nach Hause: „Immer ruhig und gediegen, was net fertig ist, bleibt liegen.“
Quelle: Mainpost